Präzisionskühlung bei der Bearbeitung von Luftfahrtwerkstoffen
Schnittgeschwindigkeit bei ISO-S-Werkstoffen um 20 Prozent erhöhen
Der Bau emissionsfreier Flugzeuge stellt eine große Herausforderung dar. Die CO2-Emissionen während des Flugbetriebs stehen im Vordergrund, aber die Auswirkungen der Werkstoffbearbeitung während des Fertigungsprozesses sind ebenso entscheidend, da sie die Produktionsraten, die Effizienz und die Qualitätskontrolle beeinflussen. Eine Antwort auf diese Herausforderungen ist der richtige Einsatz von Kühlschmierstoffen, um die Ausbringung zu maximieren, die Prozesssicherheit zu erhöhen und die Werkzeugleistung zu verbessern. Dies ist auch der Grund, warum der Markt für Schmierstoffe in der Luft- und Raumfahrtindustrie zwischen 2022 und 2027 mit einer prognostizierten durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von 19 % wachsen wird.
Die Rolle der Kühlschmierstoffe bei der Bearbeitung von Bauteilen für die Luft- und Raumfahrt hat sich weiterentwickelt. Viele Jahre lang wurde in den Fertigungsbetrieben der Kühlschmierstoff über Schläuche zugeführt, die die Bearbeitungszone überfluteten (insbesondere bei Werkstoffen, die mit Kühlschmierstoff bearbeitet werden müssen). Durch die hochpräzise Zufuhr des Kühlschmierstoffes in die Bearbeitungszone ergeben sich jedoch völlig neue Vorteile. Ein breiter Einsatz dieser Technologie wurde aber erst durch die höhere Kühlmittelzufuhrkapazität vieler CNC-Maschinen sowie durch neue Werkzeugkonzepte möglich.
Einen Unterschied machen
Damit das Kühlmittel wirksam und effizient eingesetzt werden kann, muss es mit hoher Präzision, in ausreichender Menge und in der richtigen Richtung als Strahl aufgebracht werden. Ein einfacher Kühlmittelstrahl oder gar eine Überflutung der Bearbeitungszone mit Kühlmittel ist nicht ausreichend. Der gezielte Einsatz einer Hochpräzisionskühlung kann jedoch deutliche Unterschiede in der Spanbildung, der Wärmeverteilung, der Haftung des Werkstückmaterials an der Schneidkante, der Oberflächengüte und dem Werkzeugverschleiß bewirken. Diese grundlegenden Bearbeitungsfaktoren wirken sich auf die Fertigung aus, wenn es darum geht, die Produktivität, die Werkzeugstandzeit, die Spankontrolle und -abfuhr sowie die Bauteilqualität zu verbessern und damit die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.
Richtig eingesetzt, maximiert die Hochpräzisionskühlung die Leistung, erhöht die Prozesssicherheit und verbessert die Werkzeugleistung und die Bauteilqualität. Die positiven Effekte beginnen bei niedrigen Kühlmitteldrücken, aber je höher der Druck ist, desto anspruchsvollere Werkstoffe können erfolgreich bearbeitet werden.
Der Einsatz von Hochpräzisionskühlung kann sich im Allgemeinen positiv auf die Zerspanung auswirken, insbesondere bei rostfreien Stählen und Stählen mit niedrigem Kohlenstoffgehalt. Bei der Bearbeitung von anspruchsvolleren Werkstoffen wie hitzebeständigen Superlegierungen (HRSA) und Titanlegierungen macht dies jedoch einen dramatischen Unterschied. Es ist daher nur folgerichtig, dass eine Reihe neuerer Entwicklungen die Hochpräzisionskühlung noch interessanter und leichter verfügbar gemacht haben.
Hochpräzisionskühlung als Standard
Viele moderne CNC-Maschinen verfügen serienmäßig oder optional über eine Kühlmittelzufuhr mit einem Druck von 70 bis 100 bar mit leistungsfähigen Tanks und Pumpen. Dies reicht aus, um eine Hochpräzisionskühlung einzusetzen, die bei den meisten Bearbeitungszentren, Drehzentren, Vertikaldrehmaschinen und Multi-Task-Maschinen einen signifikanten Unterschied in der Leistung und den Ergebnissen bewirkt. Die Standardausrüstung ist ausreichend, da der Kühlschmierstoff leicht dorthin geleitet werden kann, wo der Strahl benötigt wird.
Modulare Werkzeuge sind eine wesentliche Grundlage für die Hochpräzisionskühlung, um einerseits einen schnellen Werkzeugwechsel zur Minimierung der Maschinenstillstandzeiten zu gewährleisten und andererseits die Kühlmittelverbindungen und -kanäle von der Maschine bis zur Schneide effizient zu sichern. Das modulare Schnellwechselsystem Coromant Capto® ist heute die Basis für neue Standardwerkzeuge für die Hochpräzisionskühlung. Das System ist ideal als modulare Plattform mit innerer Kühlmittelzufuhr konzipiert und eignet sich auch für die Hochpräzisionskühlung. Es ist ein etablierter ISO-Standard und eine Option für viele CNC-Maschinen mit stehenden und rotierenden Werkzeugen.
Eine von oben auf die Schnittzone gerichtete Präzisionskühlung verbessert die Spankontrolle und die Prozesssicherheit. Die Präzisionskühlung von unten erhöht die Werkzeugstandzeit und die Produktivität, insbesondere bei Anwendungen mit hoher Wärmeentwicklung an der Wendeschneidplatte.
Präzisionskühlung beim Drehen
Drehwerkzeuge mit Präzisionskühlung sind so konstruiert, dass sie präzise Kühlmittelstrahlen mit laminarer Parallelströmung erzeugen. Die Strahlen erzeugen einen hydraulischen Keil zwischen Wendeschneidplatte und Span, der die Spanform und den Spanfluss beeinflusst und die Temperatur in der Bearbeitungszone senkt. Durch die Verwendung von Düsen, die nahe an der Schneidkante angebracht sind und präzise Strahlen mit hoher Geschwindigkeit ausstoßen, werden die Späne von der Wendeschneidplatte weggeleitet, gekühlt und in kleinere Stücke gebrochen, so dass die Späne besser abtransportiert werden können.
Die Vorteile bei der Schlichtbearbeitung wurden bereits bei niedrigeren Drücken bis zu 10 bar bei Werkstoffen wie Stahl, rostfreiem Stahl, Aluminium sowie Titan und hitzebeständigen Superlegierungen nachgewiesen. Neben der verbesserten Prozesssicherheit durch eine optimierte Spankontrolle kann die Präzisionskühlung die Werkzeugstandzeit deutlich erhöhen und bietet das Potenzial für höhere Schnittgeschwindigkeiten. So sind Standzeiterhöhungen von 50 % durch den Einsatz der Präzisionskühlung in vielen Fällen möglich.
Die Schnittgeschwindigkeit hat den größten Einfluss auf die Temperatur und damit auf den Werkzeugverschleiß. Eine Erhöhung der Schnittgeschwindigkeit bei Titan über das begrenzte Zerspanbarkeitsfenster hinaus reduziert die Standzeit drastisch. Wird jedoch der Vorschub in gleichem Maße erhöht, ist eine geringere Standzeitreduzierung typisch. Dies macht die Vorschuberhöhung oft zu einer attraktiven Option, um das Zeitspanvolumen zu erhöhen, ohne die Standzeit zu beeinträchtigen. Aufgrund der höheren Schnittkräfte und der Auswirkungen auf die Spankontrolle ist ein hoher Vorschub bei diesen Maschinen jedoch nicht immer eine Alternative.
HRSA-Turbinenscheibe drehen
Die Präzisionskühlung kann bei der ISO-S-Bearbeitung eine wichtige Rolle spielen. Dank des Effekts der Präzisionskühlung ist es möglich, die Leistung durch höhere Schnittgeschwindigkeiten zu steigern, ohne den üblichen Temperaturanstieg und den Verlust an Werkzeugstandzeit in Kauf nehmen zu müssen. Der Kühleffekt ist signifikant und es treten keine höheren Schnittkräfte durch höhere Vorschübe auf. Bei Werkstoffen, die nach ISO S klassifiziert sind, kann bei gleicher Schnittlänge eine um 20 % höhere Schnittgeschwindigkeit erreicht werden.
Auch beim Innendrehen kann die Präzisionskühlung eine entscheidende Rolle spielen, insbesondere bei der Spanbildung und der Verbesserung der Schereigenschaften bei anspruchsvollen Werkstoffen wie Titan. Damit trägt das Konzept zu mehr Sicherheit und längeren Werkzeugstandzeiten bei der Herstellung von Bohrungen bei. Bei der Bearbeitung relativ großer und tiefer Bohrungen mit Bohrstangen, bspw. in Fahrwerkskomponenten, kann eine modulare Werkzeugbestückung sowohl am hinteren als auch am vorderen Ende des Werkzeugs von Vorteil sein.
Die Möglichkeit, den kleinen Schneidkopf auf der eingespannten Stange zu wechseln, ermöglicht einen schnellen, einfachen und präzisen Wechsel und damit eine hohe Flexibilität für verschiedene Bearbeitungen in einer Aufspannung. CoroTurn® SL kombiniert gedämpfte Bohrstangen mit einer verzahnten Schnittstelle für den Einsatz von Schneidköpfen zur Herstellung größerer Bohrungen mit einer Tiefe bis zum Zehnfachen des Durchmessers und verfügt über eine Vorrichtung für Präzisionskühlung.
Abweichungen in der Oberflächengüte von Werkstücken werden durch die Temperatur und die bei der Bearbeitung auftretenden Beanspruchungen verursacht. Die Kühlung wirkt sich positiv auf die Temperaturkontrolle aus, weshalb die Präzisionskühlung zu zuverlässigeren Ergebnissen beiträgt. Die Werkzeugdüsen sind direkt auf den Teil der Wendeschneidplatte gerichtet, der mit der zu bearbeitenden Oberfläche in Kontakt kommt. Da die Düsen nicht verstellbar sind, werden viele Unsicherheitsfaktoren eliminiert, was zu einem sichereren und gleichmäßigeren Bearbeitungsprozess führt.
Korrekt durchgeführte Maßnahmen optimieren
Die Fähigkeit, den hydraulischen Keil unter hohem Druck in die Schnittzone zu bringen, insbesondere bei Bearbeitungen, die als Zwischen- bis Fertigbearbeitung eingestuft werden, ermöglicht eine bessere Kontrolle der Spandicke und eine einfachere Anwendung des hydraulischen Keils im Vergleich zu Schruppbearbeitungen.
Der Einsatz einer Hochpräzisionskühlung sollte nicht dazu verwendet werden, Schwachstellen auszugleichen, die durch andere Faktoren wie ungeeignete Wendeschneidplatten, Instabilität oder ungenaue Schnittdaten verursacht werden. Präzisionskühlung ist ein Optimierungselement, wenn die Arbeitsabläufe richtig definiert sind. Das Konzept ermöglicht kürzere Bearbeitungszeiten, eine bessere und konstantere Werkstückqualität und eine höhere Prozesssicherheit beim Drehen und Fräsen.