Nachbearbeitung von additiv gefertigten Komponenten
Nassstrahltechnik als Problemlöser
Die additive Fertigung ist auf dem Vormarsch. Kein Wunder, denn sie eröffnet ungeahnte Möglichkeiten, stellt Unternehmen aber auch vor neue Herausforderungen. Gerade im Bereich der Nachbearbeitung. Ein bislang wenig betrachtetes Verfahren ist hier die Nassstrahltechnik – ein eher konventionelles Verfahren, das jedoch zahlreiche Vorteile bietet.
Die additive Fertigung (AM), eine Bezeichnung für den industriellen 3D Druck, hat in den letzten Jahren die Welt der konventionellen Herstellungsmethoden kräftig durcheinandergewirbelt. Inzwischen hat sich AM als industrielle Fertigungstechnologie voll im Markt etabliert. Dies wurde möglich durch verbesserte Druckverfahren, die den Druckprozess erheblich beschleunigen, die Maßhaltigkeit der Produkte verbessern und absolut reproduzierbare Ergebnisse erzielen. Dadurch wurden die Produktivität und Wirtschaftlichkeit des 3D-Drucks erheblich gesteigert.
AM erlaubt die Erzeugung von geometrisch komplizierten und leichtgewichtigen Komponenten mit einer hohen Materialausbeute. Es überrascht deshalb nicht, dass diese Fertigungsmethode immer mehr eingesetzt wird, insbesondere in der Automobil- und Luftfahrtindustrie sowie in der Medizintechnik. Mit der 3D-Drucktechnologie können auch schnell Ersatzteile produziert werden, was mit konventionellen Herstellungsmethoden nicht möglich oder sehr teuer wäre. Dadurch können Maschinen problemlos repariert werden, ohne sie ersetzen zu müssen. Mit all diesen Vorteilen sowie der Möglichkeit, die Fertigung zu dezentralisieren und somit Lieferkettenprobleme zu mildern, ist die Zukunft der additiven Fertigung als industrielles Herstellungsverfahren gesichert.
Nachbearbeitung kommt eine Schlüsselrolle zu
Leider sind in der additiven Fertigung auch noch einige Probleme zu überwinden. So zum Beispiel bei der Oberflächenbearbeitung der Rohkomponenten, die aus dem Drucker oder von der Bauplatte kommen. Mittels 3D-Druck hergestellte Kunststoff- oder Metallkomponenten erfordern eine Nachbearbeitung, mit der unter anderem Restpulver und/oder Stützkonstruktionen entfernt werden. Das Hauptproblem ist jedoch die Oberflächenverbesserung. Durch den druckbedingten „staircasing“ Effekt sehen die rohen AM Teile anfangs nicht gut aus. Weiterhin haben sie auch eine sehr raue Oberfläche. Dies beeinträchtigt sowohl den optischen Eindruck als auch die Funktionalität der Komponenten. Aus diesem Grund muss die Oberfläche der Teile in entsprechenden Nachbearbeitungsprozessen verfeinert werden
Da der Anteil der Nachbearbeitungskosten an den Gesamtkosten für das fertige Produkt sehr hoch ist, wird intensiv daran gearbeitet, wirtschaftliche, reproduzierbare und automatisierte Nachbearbeitungssysteme zu entwickeln. Viele Firmen arbeiten an speziellen Lösungen, zum Teil mit eindrucksvollen Ergebnissen. Meist sind die Lösungen jedoch begrenzt auf einzelne Materialien oder Geometrien. Und generell sind sie teuer und zu kompliziert.
Aus diesem Grunde werden meist bestehende Oberflächenbearbeitungsverfahren weiterentwickelt und an die Anforderungen der Nachbearbeitung von 3D-gedruckten Metall- und Kunststoffkomponenten angepasst. Eine Reihe an Technologien, beispielsweise Gleitschleifen, Strahlen, Shot Peening sowie chemische Glättungssysteme, werden schon mit Erfolg eingesetzt.
In diesem Artikel wird eine Nachbearbeitungsmethode zur Oberflächenverfeinerung von AM Komponenten beschrieben, die bisher vernachlässigt wurde – das Nassstrahlen. Dabei handelt es sich um eine saubere, zuverlässige, reproduzierbare und präzise Technologie, die im Vergleich zu anderen Methoden erheblich bessere Oberflächen erzeugt. Dies ist insbesondere der Fall bei Komponenten, die mit Direct Metal Laser Sintering (DMLS) und Selective Laser Sintering (SLS) hergestellt werden.
Wie funktioniert das Nassstrahlen?
Bei dieser Strahlmethode wird ein Gemisch aus Wasser und Strahlmittel beschleunigt und auf die Werkstückoberfläche geschleudert. Das Nassstrahlen eignet sich besonders für die Bearbeitung von empfindlichen Präzisionsteilen. Das Verfahren arbeitet absolut staubfrei. Weiterhin erlaubt es die Verwendung von sehr feinen Strahlmitteln. Ein großer Vorteil ist, dass das Gemisch die Aufprallenergie dämpft. Auch Strahlmitteleinschlüsse in der Werkstückoberfläche werden komplett verhindert. Am wichtigsten ist jedoch, dass das Nassstrahlen auf AM Komponenten ein hervorragendes Oberflächenfinish erzeugt.
Das Strahlgemisch enthält im Schnitt etwa 10 bis 40 Volumenprozent an Strahlmittel. Dieses Wasser/Strahlmittelgemisch wird zu der Strahlpistole gepumpt, wo es durch Druckluft beschleunigt und auf die Werkstücke geschleudert wird. Die Aufprallenergie des Gemisches erzeugt den gewünschten Effekt, sei es Reinigung, Oberflächenglättung, Vorbereitung für das Beschichten, Erzeugen einer mattierten Oberfläche oder Shot Peening.
Das Nassstrahlen entfernt Restpulver sowie die Stützkonstruktionen von verschiedenen Kunststoffkomponenten und verfeinert gleichzeitig deren Oberfläche. Mit unterschiedlichen Strahlmitteln wird ein dekoratives oder funktionelles Oberflächenfinish erzielt. Nassstrahlmaschinen können problemlos in automatisierte Fertigungslinien integriert oder als Insellösungen eingesetzt werden.
Vorteile beim Einsatz
Nassstrahlen erzeugt nicht nur hervorragende Oberflächen, sondern ermöglicht auch eine schonende Bearbeitung. Der Prozess ist absolut staubfrei und verursacht keine elektrostatischen Probleme. Somit müssen keine ATEX-Vorschriften hinsichtlich brennbarer oder explosiver Stäube eingehalten werden. Im Gegensatz zum Trockenstrahlen entstehen auch keine Strahlmitteleinschlüsse, die die Oberflächenqualität beeinträchtigen können.
Trockenstrahlen erzeugt eine beträchtliche Menge an Wärme, die in Verbindung mit der hohen Aufprallenergie insbesondere empfindliche Werkstücke verformen kann. Im Gegensatz dazu ist das Nassstrahlen erheblich kühler und schonender und deshalb ideal für die Nachbearbeitung von empfindlichen, dünnwandigen Komponenten.
Im Hinblick auf die Entfernung des Restpulvers von AM Komponenten entfernt das Nassstrahlen alle an der Oberfläche anhaftenden Fremdstoffe, sogar aus schwer zugänglichen Bereichen, wie internen Kanälen und Hinterschneidungen.
Allgemein erzeugt das Nassstrahlen glattere Oberflächen mit einem hohen Grad an Präzision und Reproduzierbarkeit. Das erzeugte Finish ist sehr homogen und weist eine Oberflächenrauigkeit von weit unter 100µm Ra auf. Im Hinblick auf dekorative Oberflächen erzeugt das Nassstrahlen ein glattes, mattiertes Finish. Durch die Vermeidung von Verformungen werden erheblich engere Maß Toleranzen erreicht.
Ein wichtiger Vorteil des Nassstrahlens ist außerdem seine Vielseitigkeit. Durch unterschiedliche Strahlmittelkonzentrationen im Gemisch und die einstellbare Strahlintensität kann eine breite Palette an verschiedenen Materialien und Werkstück Geometrien bearbeitet werden, ohne dass die Form oder Funktionalität der Werkstücke gefährdet wird.
Nassstrahlmaschinen sollten in der Regel von Lieferanten mit ausreichendem Know-how, wie AM Solutions – 3D post processing technology, bezogen werden. Dies erlaubt eine professionelle Beratung hinsichtlich des am besten geeigneten Nassstrahlverfahrens und garantiert präzise sowie reproduzierbare Bearbeitungsergebnisse.
Wie bereits erwähnt, beträgt die typische Strahlmittelkonzentration im Gemisch etwa 10 bis 40 Volumenprozent. Die Ermittlung der optimalen Konzentration erfordert Musterbearbeitungen. Diese sollten in Zusammenarbeit mit einer anerkannten Fachfirma durchgeführt werden.
Nassstrahlstrahlen von additiv gefertigten Werkstücken
Das Nassstrahlen ist eine hervorragende Technologie für unterschiedliche Nachbearbeitungsaufgaben. Es reinigt 3D-gedruckte Komponenten durch die Entfernung von Restpulver und reduziert die Oberflächenrauigkeit der Rohteile erheblich, beispielsweise von Ra = 25 µm auf 1 bis 1,5 µm. Durch die Homogenisierung der Werkstückoberfläche mit Nassstrahlen werden nachfolgende Gleitschleifprozesse vereinfacht.
Im Falle von metallischen AM Teilen werden gesinterte Pulverpartikel, auch in schwer erreichbaren Ecken, komplett entfernt. Mit der Nassstrahltechnik wird das Problem einer potenziellen Entzündung oder Explosion des Restpulvers nachhaltig verhindert. Mit der Nassstrahltechnik kann die Oberfläche sowohl von metallischen als auch nicht-metallischen Werkstücken bearbeitet werden, sei es reinigen, Restpulverentfernung oder Oberflächenglättung. Mit unterschiedlichen Strahlmitteln und Strahlintensitäten kann praktisch jedes Oberflächenfinish erzielt werden. Auch in Fällen, bei denen die AM Komponenten lackiert oder beschichtet werden müssen, ist das Nassstrahlen eine hervorragende Technik für die Vorbereitung der Oberflächen. Das erzielte Strukturfinish garantiert eine optimale Haftung der eingesetzten Beschichtungsmaterialien.
Mit variablen Strahlmittelkonzentrationen und Strahlintensitäten erlaubt das Nassstrahlen die optimale Reinigung und Entfernung von Restpulver von praktisch allen metallischen und nicht-metallischen Werkstücken. Dies ist auch der Fall bei schwer zugänglichen internen Kanälen, Bohrlöchern und Hinterschneidungen. In dieser Hinsicht bietet das Nassstrahlen gegenüber dem Trockenstrahlen erhebliche Vorteile.
Fazit
Einige Firmen geben viel Geld aus, um maßgeschneiderte Lösungen für die Nachbearbeitung von 3D-gedruckten Komponenten zu entwickeln. Aber die Industrie erkennt immer mehr, dass eine Reihe an traditionellen Methoden zur Oberflächenbearbeitung relativ einfach an die Post Processing Anforderungen für AM Komponenten angepasst werden können. Das Nassstrahlen ist eine hervorragende Technologie, um ein hochwertiges, reproduzierbares Oberflächenfinish auf komplexen Werkstücken innerhalb enger Maßtoleranzen zu erzielen. Die Technik ist dabei nicht nur äußerst flexibel einsetzbar, sondern auch sehr wirtschaftlich.