Prozessentwicklung im TechCenter
ISCAR unterstützt Fertigungsdienstleister Havlat bei der Bearbeitung von Inconel-Baugruppen
Die Bearbeitung einer komplexen Baugruppe aus Inconel für einen Gasverdichter stellte Fertigungsdienstleister HAVLAT vor neue Herausforderungen. Mit Unterstützung von Werkzeugpartner ISCAR fanden die Zerspaner den passenden Werkzeug-Sixpack, um die anspruchsvolle Aufgabe prozesssicher und wirtschaftlich zu lösen.
Als Ein-Mann-Handwerksbetrieb gründete Konrad Havlat 1980 die Havlat Präzisionstechnik im sächsischen Großschönau. Über die Jahre hat sich das Unternehmen zu einem gefragten Lohnfertiger mit 240 Mitarbeitern, einer Produktionsfläche von 14.000 Quadratmetern und einem Umsatz von rund 25 Millionen Euro entwickelt. HAVLAT stellt Präzisionsbauteile und Baugruppen für internationale Kunden aus dem Werkzeugmaschinenbau, der Energie- und Kraftwerkstechnik, der Tabakindustrie, der Pumpen-, Kompressor-, Getriebe- und Antriebstechnik sowie dem Sondermaschinenbau her.
„Mit unserem Know-how und einem modernen Maschinenpark sind wir bei unseren Kunden besonders gefragt, wenn es um komplexe Komponenten und Baugruppen geht“, sagt Fertigungsleiter Norbert Heinz. „Ob Losgröße 1 oder Serie, in NE-Metall, Stahl oder Sonderlegierungen – wir bearbeiten, was unsere Kunden benötigen und haben auch keine Scheu vor neuen oder schwer zu bearbeitenden Materialien.“
Deshalb war das Team um Heinz sofort Feuer und Flamme, als sich ein Kunde wegen der Bearbeitung von Baugruppen für einen Gasverdichter an HAVLAT wandte. Jede ist rund 1.700 Millimeter lang, hat einen Durchmesser von 1.100 Millimetern und besteht aus 41 Unterbaugruppen und Einzelteilen. „Komponenten dieser Art aus Stahl bauen wir schon seit einigen Jahren, allerdings benötigte der Kunde sie dieses Mal aus Inconel 625“, schildert Mirko Albert die Herausforderung. Der Leiter der Arbeitsvorbereitung ist verantwortlich für das Projekt. „Wir haben mit diesem schwer zu zerspanenden Material nur wenig Erfahrung. Darum holten wir schon in der Planungsphase unseren langjährigen Werkzeugpartner ISCAR ins Boot, um die passenden Werkzeuge fürs Schruppen, Schlichten, Bohren und Stechen sowie die richtigen Bearbeitungsstrategien auszutüfteln.“ Norbert Heinz skizziert die Anforderungen: „Das Konzept sollte ein gutes Zeitspanvolumen und wenig Werkzeugverschleiß bieten, dabei die Maschinen nicht zu stark beanspruchen und prozesssicher laufen.“
Im TechCenter ausgetobt
Sebastian Palik, Vertrieb und technische Beratung, sowie Anwendungstechniker Stefan Bayer waren begeistert von der Herausforderung. „Die Aufgabe war nicht ohne und wegen des schwer zu zerspanenden Materials und des Umfangs sowie der vielen verschiedenen Bearbeitungsschritte schwer zu knacken“, sagt Palik. „Aber wir hatten ein Ass im Ärmel – das TechCenter in Ettlingen.“ In diesem bestens ausgestatteten Paradies für Tüftler und Innovatoren testet ISCAR einerseits die eigenen Produkte, löst aber vor allem auch die technischen Probleme seiner Kunden.
HAVLAT stellte einen Probeklotz aus Inconel 625 zur Verfügung, mit dem Palik, Bayer, ISCAR-Anwendungstechniker Harald Goehlert und das TechCenter-Team – Marco Huck und Markus Schmitt – ausgiebige Tests in Ettlingen fuhren. „Das ganze Projekt war ja für uns auch Neuland“, erzählt Stefan Bayer. „Wir haben unterschiedliche Bearbeitungsstrategien, Technologien und Schneidstoffe getestet, um herauszufinden, was am besten funktioniert.“ Ein von Harald Goehlert erdachtes Bewertungssystem, das Prozesssicherheit, Wärmeeintrag und viele weitere Faktoren berücksichtigte, half bei der Beurteilung. Technologiepartner Hypermill unterstützte mit zusätzlichem Expertenwissen bei der Programmierung.
„Nach 14 Tagen hatten wir dann das Paket aus Werkzeugen, Strategien und Schnittdaten geschnürt und konnten es HAVLAT vorstellen“, sagt Bayer. Als effizienteste Lösung hatten sich gekühlte Werkzeuge mit Schneiden aus Hartmetall herausgestellt. „Die trugen deutlich weniger Wärme ins Material als etwa keramische Schneidstoffe“, erklärt Palik. Besonders die Schneidstoffsorte IC 882, ein zähes Substrat mit TiSiN PVD-Beschichtung und Oberflächenveredelung, für die Bearbeitung von austenitischem, rostbeständigem Stahl, Titan und hoch hitzebeständigen Legierungen, konnte überzeugen. „Dieser Schneidstoff ist speziell für die Bearbeitung von Superlegierungen wie Inconel entwickelt worden“, erklärt Anwendungstechniker Bayer. „Sein größter Vorteil ist aber der kalkulierbare Verschleiß. Platten aus IC 882 liefern bei unveränderten Einsatzbedingungen zuverlässig dieselbe Standzeit.“ Palik ergänzt: „Besonders charmant an unserem Vorschlag: Wir können alle Aufgaben mit sechs Standardwerkzeugen aus unserem Portfolio lösen. HAVLAT profitiert so nicht nur von hoher und schneller Verfügbarkeit, sondern kann auch wirtschaftlicher fertigen.“
Werkzeugkonzept fürs Bohren, Fräsen und Stechen
Zum Schruppen sollten zwei unterschiedliche Fräsertypen zum Einsatz kommen – zum Abtrag zwischen den Schaufeln des Verdichters hatte sich ein 35-er MILL4FEED-Hochvorschubfräser mit vier Wendeschneidplatten (WSP) in der Hartmetallsorte IC 882 als Mittel der Wahl herausgestellt. An den anderen Stellen wird das Material mit dem MICRO3FEED-Schaftfräser und dreischneidigen Trigon-WSP in IC 882 im Hochvorschub-Verfahren abgetragen.
Dreischneidige 240-Grad-Kugelkopffräser aus der DROPMILL-Reihe mit 16 und 25 Millimetern Durchmesser werden zum Vorschlichten des Konturbodens eingesetzt, ein Vollhartmetall-Fräser aus der MEGATroco-Linie mit 20 Millimetern Durchmesser zum Schlichten. Die notwendigen Bohrungen bringt HAVLAT mit einem 16-er-Wechselkopfbohrer mit 5xD und einem selbstzentrierenden Bohrkopf aus ISCARs SUMOCHAM-Linie ein. Für Einstiche hatte das ISCAR-Team ein Werkzeugsystem aus einem MODULARGRIP-Grundhalter sowie Adapterkassetten für zweischneidige HELIGRIP-Schneideinsätze mit vier und sechs Millimetern Stechbreite vorgesehen.
Mit Ihrem Konzept lagen die Werkzeugspezialisten genau richtig. „Bei der Generalprobe in Zittau mussten wir nur noch die Schnittwerte ein wenig anpassen, da hier andere Maschinen stehen als im TechCenter“, sagt Stefan Bayer. Inzwischen hat HAVLAT schon die ersten Teile erfolgreich gefertigt und ist hoch zufrieden. „Die Zusammenarbeit war wieder sehr gut, ISCARs Lösung funktioniert prima“, fasst Norbert Heinz zusammen. „Bei jedem weiteren gefertigten Teil lernen wir etwas dazu und entwickeln das Konzept mit Unterstützung von ISCAR immer weiter.“
Das Ergebnis überzeugt (v.l.): Jens Körnert, Leiter Werkzeugwirtschaft bei HAVLAT, Sebastian Palik, Vertrieb und technische Beratung bei ISCAR, ISCAR-Anwendungstechniker Stefan Bayer, Ingo Mothes, Verkaufsleiter bei ISCAR, und Norbert Heinz, Fertigungsleiter bei HAVLAT, sind mit der ISCAR-Lösung sehr zufrieden.