Einfach besser VHM-Bohren
Praktische Tipps für bessere Zerspanungs-Ergebnisse
In der zerspanenden Metallbearbeitung entfällt auf das Bohren ein Großteil der Bearbeitungen. Vielleicht ist Bohren deswegen auch die Anwendung, über die man sich seltener Gedanken macht, wenn ein neuer Bearbeitungsprozess geplant wird. Und noch viel weniger, wenn er bereits einigermaßen erfolgreich läuft. Tatsächlich lohnt es sich aber, auch beim Bohren kritisch auf die laufenden Prozesse zu schauen.
Die meisten Anwender tun das aber oft erst, wenn sich die Probleme im Prozess häufen: Die Bearbeitungsqualität der Bohrungen verschlechtert sich merkbar, die Bearbeitungszeit steigt deutlich an oder das Worst Case-Szenario tritt ein: der Bohrer bricht. Als schnelle Problemlösungsstrategie setzen viele Prozessverantwortliche dann entweder auf ein anderes Werkzeug oder drehen im Trial-and-Error-Verfahren an den Bearbeitungsparametern. Das funktioniert zumeist auch über einen gewissen Zeitraum. Bleiben die grundsätzlichen Risikofaktoren des Prozesses aber ungelöst, werden sie sich auch irgendwann im Prozess wieder bemerkbar machen.
Der wichtigste Tipp lautet: Nicht (nur) den eingesetzten Bohrer analysieren, sondern den gesamten Prozess. Dazu gehören auch das Prüfen grundlegender Dinge wie den Angaben zur Zugfestigkeit des zu bearbeitenden Werkstoffs und den Angaben zur Schnittgeschwindigkeit (vc) und zum Vorschub (f). Passt der bisher eingesetzte Bohrer für diese Bearbeitung? Dazu kommt ein Check der Bearbeitungsbedingungen: Ist die Aufspannung stabil oder lässt sich durch die Komplexität des Bauteils oder wegen der vorhandenen Maschine der Bohrer nur labil spannen? Und für alles Folgende wohl die wichtigste Frage: Welche Parameter müssen oder sollen eigentlich optimiert werden? Will man eine höhere Standzeit der Bohrer erreichen oder die Bearbeitungszeit der Bohrungen optimieren? Muss die Qualität der einzelnen Bohrungen verbessert werden, damit sie wieder im Toleranzbereich liegen? Oder muss die Sicherheit des gesamten Prozesses erhöht werden?
Der Prozess bestimmt den Bohrer
Sind diese Fragen geklärt, ergeben sich daraus auch die Parameter, nach denen der Vollhartmetallbohrer ausgewählt wird: Ausschlaggebend sind die Eigenschaften des zu bearbeitenden Materials, die projektierte Bearbeitungszeit, Standmenge und die geforderte Bohrungsqualität. Anbieter von VHM-Bohrern geben in den technischen Spezifikationen üblicherweise die optimalen Vorschübe an (Vorschubrichtreihe). Davon sollte im Prozess auch nicht abgewichen werden. Bei der Entscheidung für die Länge des Bohrers gilt: Die optimalen Ergebnisse lassen sich mit der kürzest möglichen Ausführung erzielen. Unbedingt die Nachschleifreserve einkalkulieren! Überschreitet das Verhältnis von Durchmesser zu Bohrtiefe 12xD muss mit einer Pilotierbohrung gearbeitet werden.
Auch die konkrete Bohrergeometrie hat Auswirkungen auf die Qualität der Bohrung: So verringert ein kleinerer Kerndurchmesser den Schnittdruck, was in Materialien wie z.B. rostfreien Stählen in Verbindung mit einer reduzierten Schneidkantenverrundung sinnvoll ist. Kleinere Kerndurchmesser wirken sich aber in bestimmten Werkstoffen negativ auf die Stabilität der Bearbeitung aus. Ist das Ziel, Bohrungen mit hoher Produktivität z.B. Stahlwerkstoffen zu erzeugen, ist ein größerer Kerndurchmesser mit größerer Schneidkantenverrundung anzuwenden.
Ziel: Standmenge optimieren
Verringert sich die Standmenge nach einer bestimmten Einsatzdauer oder muss die Produktivität des Prozesses verbessert werden, empfiehlt es sich, schrittweise vorzugehen. Im ersten Schritt sollte die Schnittgeschwindigkeit (vc) reduziert werden, um den Freiflächenverschleiß zu verringern. Nächster Ansatzpunkt ist der Vorschub (f): Erhöht man diesen, verringert sich die Zeit, während dessen die Bohrschneiden im Eingriff sind. Wichtig: Nicht über die vom Hersteller angegebenen Richtwerte hinausgehen! Beim dritten Schritt ist es das Ziel, den Fasenverschleiß zu minimieren. Dafür müssen die Abdrängkräfte reduziert werden, denen der Bohrer beim Ein- und Austritt aus dem Material ausgesetzt ist. Das erreicht man am besten durch die Reduzierung des Vorschubs bei Ein- und Austritt der Bohrung.
Nachschleifreserve einberechnen
Ein großer Vorteil von VHM-Bohrern ist die Möglichkeit, sie nachschleifen zu können und damit ihre Einsatzdauer zu erhöhen. Walter bietet diesen Reconditioning-Service bereits seit Jahren. Ein Walter VHM-Bohrer lässt sich standardmäßig drei Mal nachschleifen. Walter garantiert dabei die volle Leistungsfähigkeit des Bohrers. Das führt zu einer Reduktion der Werkzeugkosten um rund die Hälfte.
Weil das Nachschleifen bestimmte Abmessungen des Bohrers verändert, muss es in die Prozessgestaltung eingehen. Als Faustformel lässt sich die Länge des Bohrers bestimmen: Bohrtiefe + 1,5xD + 2mm je geplantem Nachschliff.
Last but not least: das Spannmittel
Im wahrsten Sinne des Wortes ist die Basis jeder erfolgreichen Bohrung die Aufspannung des VHM-Bohrers: Alles Suboptimale (z.B. Rundlaufabweichungen) hat direkte Auswirkungen auf die Qualität der Bohrungen, im schlechtesten Fall sogar auf das gesamte Bauteil oder die Maschine. Absolut bewährt haben sich für VHM-Bohrer von Walter Hydrodehnspann- oder Schrumpffutter. Sie sichern hohe Rundlaufgenauigkeit und bieten hohe Spannkräfte. Sind viele unterschiedliche Bohrer im Einsatz, kann ein Spannzangensystem die sinnvollere Lösung sein, weil es mehr Flexibilität bietet. Der Nachteil von Spannzangensystemen: Je nach Prozessparametern kann es hier zum Teil zu signifikanten Abweichungen von den Rundlauftoleranzen kommen. Nicht zu empfehlen als Spannmittel zum Bohren sind Weldon-Aufnahmen.
Zum Schluss noch ein Hinweis: Die Spannmittel von Bohrern regelmäßig reinigen. Bei verschmutzten Aufnahmen können sich Partikel und Reste von Schmiermitteln festsetzen, was sich irgendwann auf Rundlauf und Spannkräfte auswirken kann.