Das Ende vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalte?

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Der Stein des Anstoßes für Arbeitnehmer

Freiwilligkeitsvorbehalte und / oder Widerrufsvorbehalte waren und sind seit jeher Bestandteil von Anstellungsverträgen. Und ebenfalls seit jeher sind sie Stein des Anstoßes für Arbeitnehmer und damit Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen.

Ein Anstellungsvertrag enthielt folgenden Freiwilligkeitsvorbehalt: „Die Zahlung von Sonderzuwendungen insbesondere von Weihnachts- und/oder Urlaubsgeld liegt im freien Ermessen des Arbeitgebers und begründet keinen Rechtsanspruch für die Zukunft, auch wenn die Zahlung mehrfach und ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgt.“

Nachdem der Arbeitgeber mindestens fünf Jahre lang stets Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt hatte, stellte er dies 2020 ein und führte stattdessen ein sogenanntes „KPI-System“ (KPI = Key Performance Indicators bzw. Schlüsselkennzahlen) ein, und zwar mit folgenden Worten in einer Mitteilung an die Arbeitnehmer: „Der KPI Jahresbonus als Sonderzuwendung ersetzt somit das in der Vergangenheit vorhandene klassische Urlaubs- und Weihnachtsgeld.“

Ein Angestellter war nun der Meinung, es stehe ihm trotz KPI-System zusätzlich auch Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu und klagte dies ein. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht (LAG) gab der Klage statt. In der vom LAG zugelassenen Revision gab das BAG dem LAG auch Recht:

Aufgrund der mehrjährigen Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld sei ein Anspruch des Klägers aus einer sogenannten „betrieblichen Übung“ entstanden. Eine betriebliche Übung ist die regelmäßige, mindestens dreimalige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden.

Auch der vertragliche Freiwilligkeitsvorbehalt verhindert laut BAG hier das Entstehen einer betrieblichen Übung nicht, denn dieser Vorbehalt sei hier gar nicht wirksam. Wenn nämlich ein Freiwilligkeitsvorbehalt so ausgelegt werden kann, dass er auch spätere Individualabreden über die Zahlung etwa von Urlaubs- und Weihnachtsgeld erfasst, dann benachteiligt dieser Vorbehalt den Arbeitnehmer unangemessen und ist deswegen unwirksam.

In einem Arbeitsvertrag kann daher ein Freiwilligkeitsvorbehalt nur dann wirksam vereinbart werden, wenn gleichzeitig explizit in den Vertrag aufgenommen wird, dass spätere Individualabreden zwischen den Parteien von diesem Vorbehalt ausgenommen sein sollen.

Da diese Ausnahme aber vermutlich in keinem der bisher verwendeten Freiwilligkeitsvorbehalte enthalten ist, führt die neue Rechtsprechung prinzipiell dazu, dass alle bisher verwendeten Freiwilligkeitsvorbehalte in Arbeitsverträgen unwirksam sind.

Zwei Lösungen bieten sich an:

Entweder ergänzt man für die Zukunft die Muster-Anstellungsverträge um eine entsprechende Ausnahme vom vertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalt. Das ist aber nicht ohne Risiko, denn die Rechtsprechung steht vertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalten zunehmend ablehnend gegenüber – und wer weiß schon heute, wie die weitere Entwicklung ausfallen wird.

Oder aber - und das ist wohl auch die vom BAG präferierte Lösung - man verwendet keinen vertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalt mehr, der sich auf eine Vielzahl künftiger Leistungen bezieht, sondern man verwendet den Freiwilligkeitsvorbehalt jeweils nur im Zusammenhang mit einer ganz konkreten, an den Arbeitnehmer ausgezahlten Leistung. Wird also beispielsweise - ohne vertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalt - eine freiwillige Zahlung an den Arbeitnehmer geleistet und im Zusammenhang mit dieser Zahlung auf dessen Freiwilligkeit hingewiesen, ist dieser konkrete Freiwilligkeitsvorbehalt nach der Vorstellung des Bundesarbeitsgerichts anders als der allgemeine vertragliche - möglich und zulässig.

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