Sylt-Skandal: Darf der Chef kündigen?
Wann wird privates Fehlverhalten relevant?
Ein Video von Sylt sorgte 2024 im Netz für Entsetzen: Junge Menschen grölen in einer Bar rassistische Parolen und zeigten Gesten, die an verbotene Nazi-Symbole erinnern. Eine Person filmt das Geschehen, das Video wird ins Internet gestellt und verbreitet sich rasend schnell. Schon bald wird bekannt, wer die gefilmten Personen sind. Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter auf dem Video erkennen und bereits von Menschen auf Social Media aufgesucht und beschimpft wurden, reagierten sofort und sprachen außerordentliche Kündigungen aus. Ist dies rechtens?
Grundsätzlich gilt: Das private Verhalten von Arbeitnehmern hat normalerweise keinen Einfluss auf das Arbeitsverhältnis. Auch strafrechtlich relevantes Verhalten im Privatleben führt nur in Ausnahmefällen zu einer Kündigung. Dafür muss das Verhalten die Interessen des Arbeitgebers nach § 241 Abs. 2 BGB verletzen. Dies passiert nur, wenn das Verhalten negative Auswirkungen auf den Betrieb hat oder in einem direkten Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit steht.
Ein bekanntes Beispiel ist ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen aus dem Jahr 2019. Ein Mitarbeiter eines großen Automobilunternehmens zeigte während seines Urlaubs auf Mallorca zusammen mit anderen Personen eine nachgeahmte Reichskriegsflagge. Die Presse berichtete darüber und stellte einen Zusammenhang zum Arbeitgeber her. Das Unternehmen sprach eine außerordentliche Kündigung aus. Das Gericht erklärte die Kündigung jedoch für unwirksam, weil kein direkter Bezug zum Arbeitsverhältnis bestand. Der Mitarbeiter hatte das Verhalten in seiner Freizeit gezeigt, ohne betriebliche Mittel oder Einrichtungen zu nutzen. Zudem verfolgte der Arbeitgeber keine politische Tendenz, die besondere Rücksichtnahmepflichten für den Arbeitnehmer begründet hätte.
Soziale Medien sind jedoch heute allgegenwärtig, und das Filmen sowie Gefilmt werden sind keine Überraschung mehr – besonders bei öffentlichen Events. Seit dem Urteil von 2019 hat sich diese Realität verstärkt, besonders unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Heute kann niemand davon ausgehen, dass ein öffentlich gefilmtes Video nicht viral geht. Angesichts der gesellschaftlichen Diskussionen um Rassismus und Antisemitismus ist eine Berichterstattung in den Medien nicht überraschend, sondern fast schon sicher.
Wenn Personen gefilmt werden, die sich rassistisch äußern oder verbotene Symbole zeigen, und ein Bezug zu ihrem Arbeitgeber hergestellt wird, kann eine Kündigung durchaus rechtens sein. Das Argument, dass dies für die betroffene Person nicht vorhersehbar war, während ihr bewusst war, dass sie gefilmt wurde, zieht heutzutage in einer Welt von Social Media weniger. Besonders sensible Arbeitgeber, beispielsweise mit einer diversen Belegschaft oder solchen, deren Geschäftsfeld stark auf öffentliche Wahrnehmung angewiesen ist, haben ein berechtigtes Interesse daran, den Betriebsfrieden zu wahren und Reputationsschäden zu vermeiden.
Zusammengefasst kann privates Fehlverhalten durchaus arbeitsrechtliche Konsequenzen haben, insbesondere bei rassistischen Äußerungen in sozialen Medien. Arbeitnehmer sollten sich bewusst sein, dass ihr Verhalten auch im Privatleben Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben kann, wenn es die Interessen des Arbeitgebers verletzt oder den Betrieb in ein negatives Licht rückt. Arbeitgeber haben in solchen Fällen ein berechtigtes Interesse an der Wahrung des Betriebsfriedens und der Vermeidung von Reputationsschäden.