Partikelgrößenverteilung im laufenden Mahlprozess messen
Inline-Messung der besonderen Art
Die Wirkungsweise von Pharmazeutika, die Effizienz von Katalysatoren oder die Farbwirkung und Funktionalität von Drucktinten hängen auch von der Größe der darin enthaltenen Nanopartikel ab. Doch es fehlt an Methoden, um bei der Herstellung in Mahlprozessen die Partikelgrößenverteilung zu überwachen. Nun hat ein Konsortium aus Industrie und Forschung in den letzten vier Jahren praktikable Ansätze für solche Inline-Messungen erforscht. Das Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT in Aachen hat ein vielversprechendes laserbasiertes Verfahren entwickelt, das diese Lücke schon bald schließen könnte.
Im Inkjet-Druck, in Fahrzeugkatalysatoren oder bei der Pharmazeutika-Herstellung machen Partikel im Nanometer-Maßstab den Unterschied. »Ihre Größenverteilung hat in vielen Anwendungen großen Einfluss auf die Produkteigenschaften«, erklärt Dr. Christoph Janzen, der am Fraunhofer ILT im Bereich Bioanalytik forscht. So hat der Mahlgrad der Partikel in Digitaldruck-Tinten Einfluss auf deren Zuverlässigkeit, Kosten und Farbwirkung. So genannte Überkörner – also zu große Partikel – können die Inkjet-Düsen verstopfen. Werden sie zu fein gemahlen, steigen der Energie- und Zeitbedarf in der Produktion, und auch die Druckqualität kann sich ändern. Ähnlich liegt der Fall bei Nanopartikeln für Katalysator-Beschichtungen. Von den Partikelgrößenverteilungen der Trägermaterialien Aluminium- und Zirconiumoxid hängen sowohl die katalytische Wirkung als auch der Rohstoffverbrauch der Edelmetalle Platin und Iridium ab: Mit der optimalen Partikelgröße wird eine maximale katalytische Wirksamkeit bei minimalem Edelmetalleinsatz erzielt.
Auch in der Pharmaindustrie kommt es auf die Partikelgrößenverteilung an. Denn von der Größe der Wirkstoffpartikel hängt es ab, wie schnell diese im Körper aufgelöst werden und wie anhaltend sie wirken. Manches schmerzstillende Medikament entfaltet feiner gemahlen drogenähnliche Wirkung. Daher ist in der Herstellung Präzision gefragt. »Wird die spezifizierte Partikelgrößenverteilung nicht eingehalten, droht ein Totalverlust der Charge mit teils hohen finanziellen Einbußen«, erklärt Janzen. Doch so groß der Einfluss der Nanopartikel auf die Eigenschaften vieler Produkte ist, so schwierig ist es, ihre Größe mit heute verfügbaren Mess- und Mikroskopie-Verfahren zu bestimmen. Das gilt erst recht, wenn die Messung inline im laufenden Mahlprozess erfolgen soll. Weil praktikable Lösungen dafür fehlen, behelfen sich Anwender bisher mit prozessbegleitenden Stichprobenmessungen.
Inline-Messungen von Nanopartikeln möglich machen
Um diese technologische Lücke zu schließen, hat ein Konsortium von industriellen Anwendern, Mess- und Analysegeräte-Herstellern und Forschungsinstituten neue Ansätze für die Inline-Partikelmessung entwickelt. Im Projekt PAT4Nano (Process Analytical Technology Tools for Realtime Physical and Chemical Characterization of Nanosuspensions) haben sie mit Fördermitteln aus dem EU-Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020 vier Jahre lang verschiedene prozessanalytische Ansätze zur Messung und Analyse industriell relevanter Nanopartikel vorangetrieben. Neben den belgischen Unternehmen Agfa-Gevaert und Janssen Pharmaceutica, der National University of Ireland in Galway und der irischen University of Limerick, Johnson Matthey und Malvern Panalytical aus Großbritannien sowie InProcess-LSP und TNO aus den Niederlanden gehörte auch das Fraunhofer ILT dem Konsortium an.
Ein Team um Janzen hat eine neuartige laserbasierte Technologie zur Partikelanalyse entwickelt, mit der es im Laufe des PAT4Nano-Projekts Partikelgrößenverteilungen von Proben aus Anwendungen in der Pharma-, Drucktinten- und Katalysatorherstellung untersucht hat. Das neue Verfahren ist in der Lage, die Größe und die Größenverteilung von Partikeln (Particle Size Distribution; PSD) im laufenden Mahlprozess zu messen. Diese Aufgabe ist bei Partikeln in der Größenordnung von weniger als 100 Nanometern herausfordernd, weil mikroskopische bildbasierte Verfahren hier an Grenzen stoßen. Das Team musste daher bei der Entwicklung der benötigten Inline-Messtechnik einen anderen Weg gehen: Es hat Laserstreulichtverfahren mit echtzeitfähigen mathematischen Algorithmen verknüpft.
Auf mathematischen Umwegen zur präzisen Inline-Partikelmessung
»Wir haben unser Verfahren auf Basis der dynamischen Lichtstreuung (Dynamical Light Scattering) entwickelt«, erläutert Janzen. Dieses Messprinzip basiert auf der Braun’schen Molekularbewegung: Im flüssigen Medium sind die suspendierten Nanopartikel angeregt durch Kollisionen mit Molekülen des Lösemittels in ständiger Bewegung. Je kleiner die Partikel, desto schneller die Bewegung. Genau hier setzt das Lasermessverfahren an. »Wir fokussieren einen Laser in die Lösung und analysieren das Streulicht beziehungsweise dessen temporäre Fluktuation«, erklärt er. Aus der Fluktuation lasse sich mithilfe mathematischer Verfahren die Teilchengröße ableiten.
Zwei mathematische Verfahren werden dabei typischerweise eingesetzt: Die Fourier-Analyse führt über die Intensitätsverteilung in definierten Frequenzbereichen zur tatsächlichen Partikelgröße. Alternativ lässt sich durch Korrelationsanalysen von der Bewegungsfrequenz auf die Partikelgrößen im Mahlgut schließen. Wenn hierbei weitere Parameter wie die Viskosität oder die Temperatur der Flüssigkeit einbezogen werden, liefere das Verfahren ein sehr präzises Bild der Partikelgrößen und deren Verteilung. Nicht immer ist laut Janzen ein absoluter Wert gefragt. Oft reiche es Anwendern, verfolgen zu können, wie sich der »Hydrodynamische Radius« der Partikel im Mahlprozess ändert. »Indem sie diesen Wert mit dem Verlauf in einem optimalen Mahlprozess abgleichen, können sie recht einfach verfolgen, wie der Prozess verläuft, und wann die gewünschte Partikelgröße erreicht ist«, berichtet er.
Neben den mathematischen Ansätzen basiert das neue Lasermessverfahren auf Engineering: Denn die Inline-Messung kann nicht direkt in der Kugelmühle erfolgen. Es bedarf ungestörter Diffusion, um mithilfe der dynamischen Lichtstreuung Partikelgrößen zu bestimmen. In einer laufenden Kugelmühle diffundieren Partikel nicht frei im flüssigen Medium, weil das Mahlgut kontinuierlich durchmischt wird. Probennahmen mit einer Küvette erfüllen dagegen nicht den Anspruch der kontinuierlichen Prozessüberwachung. Um dieses Dilemma zu lösen, hat das Fraunhofer-Team den Mahlprozess systematisch analysiert: »In den typischerweise eingesetzten Kugelmühlen wird das flüssige Medium ständig umgepumpt«, sagt Janzen.
Bei diesem Flüssigkeitskreislauf setzte das Team mit dem optischen Messverfahren an. Um trotz der bewegten Flüssigkeit präzise Messungen zu gewährleisten, haben sie eine Tauchsonde mit einem rotierenden Flügelrad in einem Gehäuse konstruiert. Dieses Rad transportiert zwischen seinen Flügeln jeweils kleine Volumen der Probenflüssigkeit. Stoppt es, sind die Zwischenräume geschlossen und von jeder Strömung abgekoppelt. Hier können die Partikel frei diffundieren, und eine ungestörte Messung kann erfolgen. Nach der Messung setzt sich das Flügelrad erneut in Bewegung und tauscht die analysierte Probenflüssigkeit aus und schließt beim Stopp die Messkammer erneut gegen den Außenraum ab. Um ihren Inhalt zu analysieren, wird der Laser jeweils in die Lösung der Messkammer fokussiert.
Auf dem Weg zum stabilen Messverfahren für industriell genutzte Nanopartikel
Das Licht wird laut Janzen über eine optische Faser in die Lösung eingeleitet, wobei der Fokuspunkt variabel ist. Eine zweite Optik fängt das an den Nanopartikeln entstehende Streulicht ein und führt es über eine weitere Faser zum Detektor, der die Signale aufnimmt. »Das Verfahren hat den Vorteil, dass die Messungen unter denselben Bedingungen erfolgen, die im Mahlprozess herrschen«, sagt er.
Eine noch nicht umfassend gelöste Herausforderung besteht darin, dass die Partikelkonzentration in der Flüssigkeit hoch und deren Verdünnung von außen nicht möglich ist. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit von Mehrfachstreuungen, die die Messergebnisse verfälschen können. Um den Konzentrationsbereich zu erweitern, hat das Projektteam mit einem neuen Ansatz experimentiert: 3D-Kreuzkorrelation. Basis dafür ist eine modifizierte Tauchsonde, mit der es möglich ist, zwei DLS-Messungen am selben Ort durchzuführen und fluktuierende Signalintensitäten miteinander über eine Kreuzkorrelation abzugleichen. Es wird also möglich, den Konzentrationsbereich zu erweitern, weil sich die störenden Mehrfachstreuungen durch die Korrelation der Signale herausfiltern lassen.
Damit beide Messungen exakt dieselben Partikel erfassen, hat das Team einen sehr kompakten Optikhalter konstruiert und im SLE-(selective laser induced etching)-Verfahren gefertigt. Ziel ist die hochpräzise Fokusüberlagerung zweier Anregungslaser über zwei unterschiedliche Strahlgänge durch dieselbe asphärische Linse. Durch die Fokusüberlagerung werden exakt dieselben Partikel bestrahlt und das Streulicht über zwei separate Strahlengänge gesammelt. Durch konsequente Miniaturisierung konnte die Optik in die Tauchsonde integriert werden. Allerdings erwies sich der Ansatz im Projektverlauf als sehr komplex. »Noch ist das Verfahren nicht robust genug, aber die Ergebnisse mit dem hochpräzisen SLE-gefertigten Halter sind vielversprechend«, sagt Janzen. Dies auch, weil man zur Anregung zwei verschiedene Wellenlängen (785 nm und 795 nm) nutze, um die Streulichtsignale der beiden DLS-Experimente spektral voneinander trennen zu können.
Noch bleibt die Signalqualität des Kreuzkorrelationsansatzes hinter derjenigen der Autokorrelation zurück. Um die Nachteile des Autokorrelationsverfahrens bei hoher Partikelkonzentration zu kompensieren, liegt der Fokuspunkt nahe an der Glasscheibe der Sonde. Denn je geringer die Eindringtiefe des Lasers in die Flüssigkeit ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit störender Mehrfachstreuungen. Janzens Fazit: »Im PAT4Nano-Projekt ist es uns gelungen, durch das systematische Erproben verschiedener Ansätze ein Inline-Messverfahren zu entwickeln, das PSD-Analysen von circa 100 Nanometer kleinen Partikeln direkt im laufenden Mahlprozess ermöglicht«. Im nächsten Schritt gehe es nun darum, das Verfahren mit Partnern aus verschiedenen Anwenderbranchen und mit Messgeräteherstellern zur Serienreife zu bringen.