China: Ärger über strikte chinesische Einreisebeschränkungen wächst
„China schädigt mit Reisebeschränkungen den Mittelstand – und sich selbst“
Der Ärger im mittelständischen Maschinen- und Anlagenbau über die strikten und unberechenbaren chinesischen Einreisebeschränkungen wächst. Viele VDMA-Mitglieder beschweren sich über schikanöse Zustände, die auch zu Lasten der chinesischen Kunden gehen, und fordern die Aufhebung des Quarantänezwangs für Geimpfte.
Chinas seit Beginn der Pandemie bestehende strikte Null-Covid-Politik und die damit verbundenen extremen Einreisebeschränkungen erweisen sich zunehmend als Bedrohung für Handel und Investitionen im mittelständischen Maschinen- und Anlagenbau. Lange und unberechenbare Quarantänezeiten unter teils unwürdigen Bedingungen, wenig Verlass auf Aussagen der regionalen chinesischen Behörden sowie die äußerst geringe Zahl von Flügen in die Volksrepublik sorgen dafür, dass Fachkräfte aus Europa so gut wie gar nicht mehr in das Land reisen, um dort zum Beispiel notwendige Installationen oder Wartungsarbeiten an Maschinen zu verrichten.
„Das ist nicht nur für unsere Mitgliedsfirmen ein enormes Ärgernis mit wirtschaftlichen Auswirkungen. China schneidet sich mit dieser restriktiven Einreisepolitik auch ins eigene Fleisch, weil man sich den Zugang zu Service genauso versperrt wie zu neuen Technologien“, sagt Ulrich Ackermann, Leiter VDMA Außenwirtschaft. „Wir rufen die Regierung in Peking dazu auf, die Quarantäne für ausreichend geimpfte Geschäftsreisende ebenso abzuschaffen wie die umständlichen und undurchsichtigen Visa-Anforderungen. Die Unternehmen brauchen zudem wieder ein deutlich ausgeweitetes Flugangebot nach China, um ihre vertraglichen Verpflichtungen dort erfüllen zu können“, betonte er.
Wie groß mittlerweile der Ärger unter den mittelständischen Betrieben über die restriktive Einreisepolitik ist, zeigt eine Vielzahl von entsprechenden Statements aus der VDMA-Mitgliedschaft.
So sagt etwa Arno Gärtner, CEO des Textilmaschinenherstellers KARL MAYER GROUP: „Die strengen Reisebeschränkungen sind eine große Herausforderung für unsere internationale Unternehmensgruppe…Die reibungslose enge Zusammenarbeit ist erheblich erschwert und Projekte verzögern sich. Es ist schwierig, jemanden zu finden, der unter den momentanen Bedingungen nach China reisen will.“
Dr. Ingo Cremer, CEO von CREMER Thermoprozessanlagen, ergänzt: Die aktuelle, unserer Meinung nach unmenschliche Quarantänesituation würgt das Geschäft mit China ab. Schlechte Quarantänehotels sind wie Knast für unser Servicepersonal…Man könnte den Eindruck gewinnen, dass China keine ,Ausländer‘ im Land haben möchte.“
Restriktionen behindern auch Exporte
Seit Beginn dieses Jahres sind auch die Exporte des Maschinen- und Anlagenbaus nach China, die eng mit den Reiserestriktionen zusammenhängen, spürbar gesunken. Von Januar bis einschließlich April sanken die Ausfuhren in die Volksrepublik um 8,5 Prozent auf 5,9 Milliarden Euro. Die Exporte in die Vereinigten Staaten legten dagegen im selben Zeitraum um 13 Prozent auf 7,3 Milliarden Euro zu. Damit bauten die USA ihre Spitzenposition im Export-Länderranking des Maschinen- und Anlagenbaus weiter aus.
„China ist und bleibt ein wichtiger Markt auch für mittelständische Unternehmen“, erläutert VDMA-Abteilungsleiter Ackermann. „Aber angesichts all der Behinderungen werden immer mehr Firmen die Geschäftsrisiken vor Ort neu bewerten und sich auf die Suche nach alternativen Absatzmärkten und Produktionsstandorten in Asien machen“, ergänzt er.
Statements VDMA-Mitgliedsfirmen zu chinesischen Einreisebedingungen:
Ali Bindernagel, Chairman FRIEDRICH KOCKS
„Unsere Fachkräfte mussten auf 29 Reisen nach China insgesamt 616 Tage in Quarantäne verbringen. Das ist psychisch sehr belastend, auch weil die Quarantänedauer immer wieder kurzfristig verändert wird. Plötzliche Lock-Downs am Einsatzort bergen das Risiko, die Baustelle nicht mehr verlassen oder sie nicht mehr erreichen zu können. Bei einem positiven Corona-Testergebnis droht eine Lagerunterbringung ohne ausreichende Versorgung oder sprachliche Betreuung.
Hinzu kommen unangemessene medizinische Untersuchungen am Zielort, zum Beispiel ein Lungen-CT, sowie Zugangsbeschränkungen für Restaurants, Supermärkte und öffentliche Einrichtungen. All dies führt nicht nur zu einem extrem langen Vorlauf für China-Reisen und eine schwierige Koordination mit den Kunden, sondern auch zu extremen Kostensteigerungen bei den Flügen und durch die zusätzliche Quarantänedauer.
Wir fordern daher von China den Verzicht auf PU-Einladungen für Visaanträge, eine verkürzte Quarantänezeit, bei Infizierung mit Corona eine Unterbringung im Krankenhaus und nicht in Corona-Lagern sowie eine Wiederaufnahme der Linienflüge nach China.“
Dr. Ingo Cremer, CEO CREMER Thermoprozessanlagen
„Die aktuelle, unserer Meinung nach unmenschliche Quarantänesituation würgt das Geschäft mit China ab. Schlechte Quarantänehotels sind wie Knast für unser Servicepersonal. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass China keine „Ausländer“ im Land haben möchte. Termine
können nicht mehr eingehalten werden, wir haben eine Kostenexplosion durch Quarantäneaufenthalte sowie extrem teure Flüge – wenn überhaupt Flüge verfügbar sind. Chinesische Firmen verschieben Aufträge durch eigene Schwierigkeiten in Folge der Lockdowns und inner-chinesischer Reisebeschränkungen.
Wir wünschen uns eine Aufhebung der Quarantäne für vollständig Geimpfte oder zumindest eine Mitbestimmung bei den Quarantänehotels. Wir brauchen mehr Linienflüge, den Verzicht auf staatliche PUEinladungen, längere Visadauer mit Mehrfacheinreisen sowie die Abschaffung der erneuten Quarantäne bei Provinzwechseln.“
Stefan Eirich, Geschäftsführender Gesellschafter Maschinenfabrik Gustav Eirich
„Deutlich längere Projekt- und Baustellenzeiten sorgen für Mehrkosten. Ebenso verzögerte Prozessoptimierungen bei Inbetriebnahme neuer Anlagen. Wir haben erschwerte Bedingungen in Netzwerken, die die digitalen Leistungen für Kunden beeinträchtigen. Dadurch ist auch „remote support“ erschwert. Durch die Einreiserestriktionen für Fachspezialisten zur Projektberatung und Projektbetreuung in China können sich Projekte verzögern oder gar an lokale Wettbewerber verloren gehen, weil auch bei den eigenen Mitarbeitern in China für Sonderanwendungen nicht immer genügend Verfahrens- Know-how vorhanden ist.
Der Zugang zu europäischer Spitzentechnologie wird erschwert, vor allem bei Nischentechnologien, bei denen noch kein Fachwissen in China besteht. Der Aufbau persönlicher und damit belastbarer Geschäftsbeziehungen wird fast unmöglich gemacht. Für die Eirich-Gruppe und ihre Kunden wäre es daher dringend erforderlich, dass eine deutlich reduzierte Quarantänezeit von 3 bis 5 Tagen für Geimpfte eingeführt wird, gerne kombiniert mit mehreren Tests. So wären ausgewählte und dringende Besuche wieder möglich.“
Arno Gärtner, CEO KARL MAYER GROUP
„Mögliche Lockdowns und die strengen Reisebeschränkungen sind eine große Herausforderung für unsere internationale Unternehmensgruppe. Mit einem Produktionsstandort in China mit rund 1000 Mitarbeiter/innen und einem Fokus auf den chinesischen Markt sind die strengen Reisebeschränkungen eine kritische Größe für unsere Geschäftstätigkeit. Die reibungslose enge Zusammenarbeit ist erheblich erschwert und Projekte verzögern sich. Es ist schwierig, jemanden zu finden, der unter den momentanen Bedingungen nach China reisen will. Die Lockerung der Quarantänemaßnahmen ist ein wichtiges Kriterium, um die Situation wieder zu verbessern.“
Stefan Hantke, President and CEO Schneeberger Holding
«Durch die Null-Covid-Strategie von China ist eine Einreise nach China quasi unmöglich gemacht worden, beziehungsweise nur unter grösstmöglichen Strapazen möglich. Dadurch ist es uns seit zwei Jahren nicht möglich, unser im Jahre 2020 gegründetes Joint-Venture zu startenbzw. in Betrieb zu nehmen.
Dieses Joint-Venture wurde gegründet, um ein spezielles Know-how für die Halbleiterindustrie in der Region für die Region aufzubauen. Unsere chinesischen Kunden sind derzeit gezwungen, längere Zeiten für Projekte, Abnahmen und Transporte für unsere Systeme in Kauf zu nehmen.
Wunsch unsererseits ist eine schnellstmögliche Aufhebung der Quarantäne für vollständig Geimpfte sowie eine Wiederaufnahme der Linienflüge nach China.»
Christof Lauffer, Geschäftsführer Maschinenfabrik Lauffer
„Die aktuellen Beschränkungen im Reiseverkehr nach China bedeuten für uns teilweise erhebliche Einschränkungen und Verzögerungen bei der Abwicklung von Bestandsprojekten – mit allen damit einhergehenden, negativen Auswirkungen auf Planung, fristgerechte Umsetzung, Finanzierung, etc. Gleichzeitig bedeuten diese im schlimmsten Fall eine Einschränkung der gewohnten Service-Levels und Response-Zeiten für unsere Kunden. Wir würden daher eine Aufhebung der Beschränkung bzw. Einreiseerleichterung für vollständig geimpfte und/oder genesene Personen sehr begrüßen.“
Jan Lohoff, Managing Director & CEO iNOEX Gruppe
„Die Covid-19 Reiserestriktionen in China sind für unsere Gruppe eine große Herausforderung. Zwar sind wir mit einer eigenen Vertriebs- und Servicegesellschaft in China gut aufgestellt, allerdings ist die Inbetriebnahme vor allem von Großprojekten, neuen Produkten und Innovationen durch deutsche Servicetechniker aktuell sehr schwierig. Insbesondere die Einschränkung von Reisen auf Top-Management und Fachkräfteebene macht derzeit einen Wissens- und Technologietransfer fast unmöglich. Dies bedeutet, dass der chinesische Markt den Anschluss verliert. Wir erhoffen uns schnellstmöglich kürzere Quarantänezeiten, häufigere Linienflüge und erleichterte Visabedingungen.“
Henning Simon, President NTN Wälzlager
„Als deutsche Tochter eines japanischen Konzerns leiden wir extrem durch die Verwerfungen auf dem globalen Logistikmarkt. Wir haben lernen müssen, dass ein einzelnes Land wie China die globalen Warenströme so stören kann, dass auch Produkte, die nicht aus China kommen, betroffen sind. Hierfür werden die Logistikdienstleister entsprechende Lösungen finden müssen. Wir versuchen schon heute auf Transportwege zurückzugreifen, die nicht über China gehen. In der Vergangenheit gingen viele Schiffsrouten von Japan nach Europa immer über einem Stopp in China (meistens Shanghai). Dies wird in Zukunft wegfallen und damit auch die Logistiksituation von und nach China beeinflussen.
Für Produkte oder Vormaterial aus China haben wir jetzt mehrfach sehr schmerzhafte und kostenintensive Versorgungsengpässe erleben müssen. Um dieses Risiko für die Zukunft zu minimieren, werden wir Alternativlieferanten außerhalb Chinas entwickeln, welche mindestens einen Teil des existierenden Geschäftes mit uns übernehmen werden. Auf der anderen Seite haben wir in der Vergangenheit immer wieder neue chinesische Lieferanten validiert und freigegeben. Da die hierfür notwendigen Audits und Besuche vor Ort nur sehr eingeschränkt möglich sind (remote oder mit Hilfe von lokalen Kollegen), haben wir diese Aktivitäten zurzeit auf Eis gelegt und suchen nach Alternativen außerhalb Chinas.“