Verärgerung über Bürokratie und Regulierungsflut
Der Maschinen- und Anlagenbau blickt mit Skepsis auf das noch junge Jahr. Insbesondere die anhaltende Flut an Bürokratie und neuen Regeln bremst den industriellen Mittelstand und behindert Innovationen und Investitionen. Angesichts eines äußerst herausfordernden wirtschaftlichen Umfelds fordert VDMA-Präsident Karl Haeusgen ernsthafte politische Reformen.
Die Stärke des Industriestandorts Deutschland hängt wesentlich am industriellen Mittelstand und dessen Fähigkeit, auch künftig im globalen Wettbewerb erfolgreich sein zu können. Um dies zu sichern, muss die Bundesregierung schnell spürbare Maßnahmen ergreifen – allen voran einen ernsthaften Abbau der Bürokratie.
Laut einer neuen VDMA-Umfrage, an der sich 700 Mitgliedsfirmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau beteiligten, bewerten drei Viertel (76 Prozent) der Unternehmen die Dringlichkeit, die Bürokratiebelastung zu reduzieren, mit „sehr hoch“. Weitere 21 Prozent bezeichnen sie als „hoch“. Damit liegt der Bürokratieabbau in der Rangliste der notwendigen Verbesserungen noch vor der Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften und den Energiepreisen.
„Auch wenn die Bundesregierung gute erste Schritte zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren gemacht hat, reicht das bei weitem nicht aus. Wir sehen weder, dass Bürokratie wirklich abgebaut wird, noch leistet die Ampel-Koalition der Regulierungsflut der EU erfolgreich Widerstand, um diese zu stoppen oder wenigstens in vernünftige Bahnen zu lenken“, sagte VDMA-Präsident Karl Haeusgen. „Der Bürokratie-Frust und die Regulierungsflut verärgern die Unternehmen enorm. In anderen Ländern werden wir mit offenen Armen empfangen, hierzulande ertrinkt jede Standortentscheidung in einem Wust von Anträgen und Genehmigungen. Hinzu kommen eine Fülle von Berichtspflichten und gut gemeinten, aber schlecht gemachten Gesetzen, die uns die Freiheit und die Kraft für Innovationen und Investitionen nehmen“, betonte Haeusgen.
Gedämpfte Erwartungen für 2024
Insgesamt blicken die Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau mit gedämpften Erwartungen auf das kommende Jahr. 39 Prozent berichten von einer gemischten Stimmungslage, jeweils 23 Prozent zeigen sich „verhalten optimistisch“ oder „verhalten pessimistisch“. Zwar hat sich die Situation in den Lieferketten weiter deutlich entspannt. Aber der nun schon seit Monaten rückläufige Auftragseingang hinterlässt seine Spuren. 60 Prozent der Unternehmen haben aktuell einen niedrigeren Auftragsbestand als im langjährigen Durchschnitt. 22 Prozent der Firmen geben an, dass der aktuelle Auftragsbestand die Produktion im kommenden Jahr nicht stützen kann, 46 Prozent geben „wenig stützen“ an.
Daraus ergibt sich auch eine verhaltene Umsatzerwartung: Zwar erwarten knapp 35 Prozent immerhin noch ein nominales Umsatzwachstum von bis zu 10 Prozent. Aber jedes fünfte Unternehmen (20 Prozent) rechnet für 2024 mit einer Stagnation, ein weiteres knappes Viertel der Befragten (23 Prozent) mit einem Erlösrückgang von bis zu 10 Prozent. „All dies bestätigt uns in unserer Prognose, dass 2024 kein leichtes Jahr für den Maschinen- und Anlagenbau wird. Wir erwarten unverändert ein reales Produktionsminus von 2 Prozent“, erläuterte der VDMA-Präsident.
Arbeitsmarkt braucht Lockerung und mehr ausländische Fachkräfte
Positiv ist, dass der Zugang zu Finanzierungen aktuell gut gesichert scheint. Auf der Liste der Standortfaktoren, die Sorgen bereiten, nimmt dieser Punkt den letzten Platz ein. Anders dagegen die Frage nach den Arbeitskräften von morgen sowie den Energiepreisen. Beide Standortfaktoren brauchen dringend politische Reformen, fordert der VDMA. „Wir benötigen flexiblere Regeln und eine längere Lebens- und Wochenarbeitszeit für die derzeitige Beschäftigung. Und wir müssen die Anwerbung von ausländischen Fachkräften weiter beschleunigen und entbürokratisieren“, forderte Haeusgen.
Der Maschinen- und Anlagenbau ist mit gut einer Million Beschäftigten in den Stammbelegschaften Deutschlands wichtigster industrieller Arbeitgeber und auch in Europa führend. „Diese starke Stellung als Arbeitgeber wollen wir behaupten“, bekräftigte der VDMA-Präsident. Allerdings erwarten laut Umfrage nur noch gut 30 Prozent der Unternehmen, dass sie die Zahl ihrer Mitarbeitenden im kommenden Jahr erhöhen werden, knapp 40 Prozent rechnen hier mit einer Stagnation und knapp 30 Prozent sogar mit einem Stellenabbau.
Alle Technologien für die Energiewende einsetzen
Als Gegenmittel für die hohen Energiepreise mahnt der Maschinen- und Anlagenbau den schnelleren Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie von Reservekraftwerken an. „Die Energiewende muss gelingen und dafür braucht es viel mehr erneuerbaren Strom“, betonte der VDMA-Präsident. „Der Maschinen- und Anlagenbau hat die Technologien zur Bekämpfung der Ursachen und Folgen des Klimawandels, jetzt müssen sie auch endlich auf breiter Front eingesetzt werden. Dabei darf es keinen grundsätzlichen Ausschluss einzelner Technologien wie zum Beispiel der Speicherung von CO2 geben“, fügte er hinzu. Zum anderen muss die Ampel-Koalition nun endlich die angekündigte Reform der Netzentgelte angehen und die Stromsteuer senken. „Ein Brückenstrompreis für die Industrie darf allenfalls für einen klar definierten Abnehmerkreis mit einer ganz klaren zeitlichen Befristung beschlossen werden. Anreize, Energie zu sparen, dürfen nicht konterkariert werden. Und es muss vorab geklärt sein, dass eine solche Maßnahme auch mit dem EU-Beihilferecht vereinbar ist“, sagte Haeusgen.
Europa in der Welt – Große Enttäuschung über fehlende Abkommen
Enttäuschung und Unverständnis – so lautet die Reaktion des Maschinen- und Anlagenbaus auf die immer noch fehlende Lösung im Zollstreit mit den USA sowie dem drohenden Scheitern eines Freihandelsabkommens mit Australien. „Wenn die EU nicht einmal mehr mit uns eng verbundenen Staaten ein Freihandelsabkommen abschließen kann, mit wem denn dann?“, beklagte Haeusgen. Angesichts der enormen Bedeutung, die solche Abkommen für die gesamte europäische Industrie haben, fordert der VDMA ein Umdenken der Verhandlungsführer. „Der Rest der Welt wartet im Handel nicht auf Europa, immer mehr Abkommen werden ohne uns geschlossen. Deshalb dürfen künftige Freihandelsabkommen nicht von vornherein mit Bedingungen der EU überfrachtet werden, die für andere Länder nicht annehmbar sind, sagte Haeusgen. Und mit Blick auf den Zollstreit zwischen Europa und den USA ergänzte er: „Weder die amerikanische noch die europäische Wirtschaft haben ein Interesse an den Stahlzöllen, weil sie beiden Seiten schaden. Hier eine Lösung gefunden werden, die die Zölle endgültig aus der Welt schafft. Ich bin mir sicher, dass dies auch gelingen kann.“
Wasserstoff-Ausbildung im südlichen Afrika fördern
Um die Energiewende global zum Erfolg zu bringen, hält der Maschinen- und Anlagenbau die notwendigen Technologien bereit. Unter Federführung des VDMA wird auch versucht, gerade in Afrika die Ausbildung im Umgang mit diesen Technologien zu fördern. Der Verband bringt dazu aktuell mit Partnern ein neues Projekt an den Start, in dem es darum geht, die Qualifikation von technischen Fachkräften für den Maschinen- und Anlagenbau speziell im Bereich Power-to-X und Wasserstoff im südlichen Afrika (Südafrika und Namibia) nachhaltig zu etablieren.
Damit trägt das Projekt zum einen dazu bei, die Beschäftigungsfähigkeit von Arbeitskräften in diesem Bereich zu erhöhen. Zum anderen werden die Länder darin unterstützt, ihre eigenen Ziele in der Erzeugung grüner Energie zu erreichen. „Deutschland und Europa können zudem mit Blick auf notwendige Importe von Wasserstoff beziehungsweise Wasserstoffderivaten davon profitieren“, resümierte der VDMA-Präsident.
Über den VDMA
Der VDMA vertritt rund 3500 deutsche und europäische Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus. Die Industrie steht für Innovation, Exportorientierung und Mittelstand. Die Unternehmen beschäftigen rund vier Millionen Menschen in Europa, davon mehr als eine Million allein in Deutschland. Der Maschinen- und Anlagenbau steht für ein europäisches Umsatzvolumen von rund 800 Milliarden Euro. Im gesamten Verarbeitenden Gewerbe trägt er mit einer Wertschöpfung von rund 270 Milliarden Euro den höchsten Anteil zum europäischen Bruttoinlandsprodukt bei.