Nur keine falsche Bescheidenheit!
Was mittelständische Unternehmen gegenüber Konzernen auszeichnet
Causae wie Playmobil oder Haba zeigen, dass positive Markenimages noch lange keine Rückschlüsse auf die gelebte Unternehmenskultur zulassen. Trotzdem blenden Konzern-Marken Bewerber sowie Bewerberinnen und verunsichern damit mittelständische Firmen. Dabei muss sich der Mittelstand keinesfalls verstecken. Im Gegenteil. Betriebe „von nebenan“ sind in vielen Fällen Lernschulen für die Großen. Silke Masurat, Gründerin und Geschäftsführerin der zeag GmbH, erläutert, was diese auszeichnet.
Führungschaos, intransparente Informationspolitik und Angstklima – Schlagworte, die zuletzt Spielwarenriese Playmobil negative Presse einbrachten, wenngleich das Traditionsunternehmen für so manchen Big Player stellvertretend den Kopf hinhält. Im Konzerndschungel klaffen Markenimage und Arbeitsplatzrealität nicht selten auseinander. Mit oft katastrophalen Folgen: Fühlen sich Beschäftigte in ihren Erwartungen enttäuscht und von der Führungsspitze hinters Licht geführt, sind Kündigungswellen sowie Reputations- und Wirtschaftsschäden in vielen Fällen die Konsequenz. Als attraktiver Arbeitergeber nach innen und außen in Erscheinung zu treten, muss deshalb zur langfristig angelegten Zielsetzung von Unternehmen erwachsen. Hier lohnt sich der Blick auf mittelständische Firmen: Attribute wie flache Hierarchien, schnelle Entscheidungswege und ein familiäres Betriebsklima decken sich mit der mehrheitlichen Erwartungshaltung von Angestellten und kräftigen die Arbeitgeberattraktivität.
Starke Wirtschaftsmitte
Mitarbeitenden-Benefits sollen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen locken, motivieren und bestenfalls langfristig an ein Unternehmen binden. Über Missstände täuschen Unternehmen so jedoch nur kurzfristig hinweg. Um Angestellte als echte Fans zu gewinnen und in den Köpfen neuer Talente stattzufinden, braucht es eine gelebte Unternehmenskultur zum Anfassen anstelle leerer Versprechungen. Mittelständische Unternehmen verstehen, dass die Zufriedenheit ihrer Belegschaft weniger in üppigen Obstkörben, sondern vielmehr in einer werteorientierten und vertrauensvollen Führung liegt. Lean Management und agiles Arbeiten sind für den Mittelstand keine Lippenbekenntnisse. Für eine leistungsfördernde und motivierende Arbeitsumgebung sorgen hier ein wertschätzendes Management sowie eine Politik der offenen Türen.
Eine zeag-Studie aus dem Jahr 2023 in Zusammenarbeit mit dem Leadership Institute der Universität St. Gallen stützt diese These. Die Studie zeigt, dass mehr als 75 Prozent der gesunden und produktiven KMU im Jahr 2022 ein transformationales Führungsklima etablierten. Mehr als 90 Prozent der befragten Firmen besitzen eine moderne Unternehmenskultur, die Diversität, emotionalisierende HR-Maßnahmen und gezielte Weiterentwicklung großschreibt. Mittelständische C-Level-Akteure binden ihre Beschäftigten aktiv in Unternehmensentscheidungen ein – sie befeuern auf diesem Weg eigenverantwortliches Handeln und regen eine offene Fehlerkultur an. Auch hier bekräftigt die zeag-Studie den Kurs: 75 Prozent der Beschäftigten in gesunden Unternehmen empfinden ihre Arbeit als sinnvoll und kohärent mit dem eigenen Lebensstil.
Lernschule Mittelstand
Aus den oben genannten Erfolgsmerkmalen mittelständischer Arbeitgeber lassen sich einige konkrete Handlungsempfehlungen für Großunternehmen und Konzerne ableiten:
1. Mitarbeiterbefragungen durchführen
Das Arbeitsklima in der Belegschaſt zu erfassen, stellt für Konzerne häufig einen Drahtseilakt dar. Der Anonymitätsgrad ist groß und eine dialogorientierte Kommunikation nicht immer gegeben. Regelmäßige Befragungen der Beschäftigten unterstützen Großunternehmen darin, Blind Spots sichtbar zu machen und Pain Points herauszustellen, genauso wie ihre Stärken zu ermitteln. Kurzbefragungen, sogenannte Puls-Checks, überbrücken die Zeit zwischen den groß angelegten Stimmungstests.
2. Unternehmensvision (vor-)leben
Eine kollektive Identifikation der Beschäftigten mit der Strategie und Unternehmensvision herstellen – das geht Hand in Hand mit der Unternehmensentwicklung und erklärt den Vorgang damit zur Chefsache. Lebt das Topmanagement das übergeordnete Zukunſtsbild beispielhaſt vor und macht den Beitrag jedes Einzelnen auf dem Weg ins Ziel (be-)greifbar, weckt das Begeisterung bei den Angestellten.
3. Inspirierende und ergebnisorientierte Führung kultivieren
Warum machen wir das und welches Ziel steckt dahinter? Diese Frage beantwortet inspirierende Führung. Der wirkungsvolle Führungsstil rückt das Vorbildhandeln und die Strahlkraſt des Leaders in den Mittelpunkt. Enthusiasmus erwecken und den übergeordneten Sinn einer Konzernvision vermitteln gehört zu seinen Aufgaben. Gepaart mit der ergebnisorientierten Führung, deren Charakteristika klare Zielvereinbarungen und häufiges sowie fundiertes Feedback prägen, schenkt das den Angestellten Halt.
4. Beschäftigte empowern
Wer seine Beschäftigten empowert, sprich, ihnen Verantwortung überträgt und sie dazu befähigt und ermutigt, gewisse Aufgaben zu bewältigen, umgarnt ihr Selbstwertgefühl und stimuliert die intrinsische Motivation. Eine agile Kultur, die von einem starken Miteinander geprägt ist, schafft die Basis für ein gesundes Hochleistungsunternehmen. Dass die Beschäftigten diesen Spirit über alle Hierarchieebenen hinweg erleben, ist dabei essenziell.
5. Talente fördern und fordern
Ein umfassendes Entwicklungsmanagement zu integrieren, kommt dem Aufbau einer internen Talentschmiede gleich. Konzerne und ihre Führungskräſte, die ihre Angestellten nach ihren individuellen Fähigkeiten, Zielen und Präferenzen bestmöglich fördern und weiterentwickeln, zahlen damit langfristig auf die unternehmerische Wachstums- und Innovationskraſt ein. Parallel dazu wächst die Loyalität und Leistungsbereitschaſt innerhalb der Belegschaſt.
Mehr Sichtbarkeit schaffen
Am Ende bleibt die Frage: Werden die guten Werte des Mittelstands auch gesehen? Dass mittelständische Unternehmen künftig die Extrameile gehen müssen, um als Arbeitgeber gegenüber den Großunternehmen mehr Sichtbarkeit zu erlangen, ist unumstritten. Denn vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels in Deutschland wetteifern Unternehmen aller Größenordnungen um fähiges Personal. Versuchen Mittelständler hier bei Benefits und hohen Gehältern mit Großunternehmen und Konzernen mitzuhalten, scheitern sie.
Mittelständische Unternehmen müssen auf verschiedenen Wegen und in hoher Frequenz glaubwürdiges Storytelling betreiben und über die Dinge sprechen, die sie im Kern stark machen. Nur auf diesem Weg kann der Mittelstand selbstbewusst Abgrenzung zur Konzern-Konkurrenz schaffen: Indem er die eigenen Qualitäten zunehmend betont. So gelingt es, High Potentials zu locken und gleichzeitig die Mitarbeiterbindung zu festigen. Eine überlebenswichtige Maßnahme, die auf Langstrecke das Fortbestehen des deutschen Mittelstandes sichert.
Über Silke Masurat :
Silke Masurat ist Gründerin und Geschäftsführerin der zeag GmbH, dem Zentrum für Arbeitgeberattraktivität, mit Sitz in Konstanz. Dort fördert sie im Rahmen des TOP JOB-Programms die Arbeitsplatzkultur und Nachhaltigkeit von Unternehmen inklusive regelmäßig erscheinender Studien zur deutschen Arbeitskultur. Masurats Leidenschaft für den Mittelstand zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Berufsleben: Eine langjährige Tätigkeit als PR-Managerin und Prokuristin mündet in der Funktion der geschäftsführenden Gesellschafterin für die compamedia GmbH. Ihr Studium der Politik- und Verwaltungswissenschaften absolviert Silke Masurat an der Universität Konstanz. Daran knüpft sie eine Weiterbildung im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit an.
Silke Masurat auf LinkedIn
Mehr zur zeag GmbH unter: www.topjob.de