Revolution sieht anders aus

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Krankenhäuser stehen mit dem Rücken zur Wand

Dr. Hontschik

Dr. Hontschik

Der Kahlschlag unter den Krankenhäusern wird weitergehen, denn das halbherzige Zurückdrängen der Fallpauschalen alleine ist noch keine Rettung. Dr. Hontschik zeigt auf, was nötig wäre, den Krankenhäusern zu helfen.

Nie zuvor gab es so viel Unruhe und Chaos in der Krankenhauslandschaft unseres Landes. Die Ankündigung einer Revolution vor einem Jahr schien daher überfällig. Als Grundübel benannte Gesundheitsminister Lauterbach das Vergütungssystem der Krankenhäuser, das sogenannte DRG-System: „Es geht darum, dass wir das System der Fallpauschalen systematisch überwinden“. Insider staunten, schließlich hatte Lauterbach doch maßgeblich zu dessen Einführung im Jahr 2003 beigetragen und es zwanzig Jahre lang verteidigt, bis auch er jetzt endlich erkannte, dass eine Krankenhausfinanzierung nach Fallzahlen und Schwere der behandelten Diagnosen den eigentlichen Auftrag des Gesundheitswesens pervertierte.

Plötzlich waren die Krankenhäuser zu einem ökonomischen Denken in Gewinn- und Verlustkategorien gezwungen. Gewinne machte der, dem es gelang, mit möglichst wenig Personal und möglichst geringen Kosten möglichst viele Kranke in möglichst kurzer Zeit zu behandeln. Verluste machte, wer in erster Linie zeitraubende, empathische Medizin betreiben wollte und erst in zweiter Linie auf die Vergütung achtete. Nicht mehr der Kranke war Gegenstand der Heilkunst, sondern die Krankheit wurde zum Gegenstand von Fallpauschalen.

Wo diese Fallpauschalen Bilanzgewinne versprachen, da blühten die Abteilungen auf, so etwa in der operativen Augenheilkunde oder der Orthopädie, besonders in der Chirurgie der Wirbelsäule und den Gelenkersatzoperationen. Da explodierten die Fallzahlen. Wo die Fallpauschalen regelmäßig zu Defiziten führten, verkümmerten die Abteilungen und wurden reihenweise geschlossen, so etwa in der Kinderheilkunde oder den Entbindungsstationen. Mit Medizin hatte das alles fortan nichts mehr zu tun.

Das System der Fallpauschalen ist aber nicht allein dafür verantwortlich, dass in den vergangenen vier Jahren knapp sechzig Krankenhäuser geschlossen wurden und über siebzig akut von Schließung bedroht sind. Der zweite Grund ist, dass sämtliche Landesregierungen allesamt über Jahrzehnte ihren gesetzlichen Auftrag ignorierten, in die Krankenhaussubstanz zu investieren. Sie ließen ihre Krankenhäuser sozusagen verhungern und eines nach dem anderen in die Schuldenfalle laufen. Und so kommt es, dass heute knapp siebzig Prozent der Kliniken ihre Existenz akut gefährdet sehen. Fast kein Krankenhaus kann seine Ausgaben aus den laufenden Einnahmen decken. Die Situation der Krankenhäuser ist also im ganzen Land dramatisch.

Doch halt: Da gibt es noch die privaten Klinikkonzerne. Dort ist gar keine Rede von Schließungen oder von Unterdeckung der laufenden Ausgaben. Im Gegenteil: Die vier größten Konzerne expandieren ständig und erwirtschaften im Jahr rund eine Milliarde Gewinn für ihre Aktionäre. Wie geht das denn? Das Rätsel ist schnell gelöst: Kündigung der Tarifverträge, Outsourcing aller nichtmedizinischen Leistungen, Personalverknappung über Schmerzgrenzen hinaus und Konzentration auf lukrative Leistungen, mit anderen Worten: Kosten senken und Einnahmen steigern. Medizin wird nur noch in lukrativen Sektoren betrieben. Ein allgemeiner Versorgungsauftrag im Sinne einer öffentlichen Daseinsvorsorge gilt für börsennotierte Konzerne nicht.

Eine wirkliche Revolution im Krankenhauswesen müsste völlig anders aussehen. Erstens: Zunächst muss man das Fallpauschalensystem nicht nur ein wenig zurückdrängen, wie jetzt geplant, sondern ganz und gar abschaffen. Stattdessen muss ein Selbstkostendeckungsprinzip auf der Basis einer klugen Bedarfsplanung zum Zuge kommen. Damit würden dem Krankenhaus die entstandenen Kosten von den Krankenkassen erstattet, rote Zahlen gäbe es nicht mehr. Zweitens: Das macht aber nur Sinn, wenn der profitorientierten Medizin endlich ein Ende gemacht wird, andernfalls würde die Allgemeinheit weiterhin die Dividenden von Aktionären mit ihren Krankenkassenbeiträgen finanzieren. Krankenhäuser müssen der staatlich garantierten Daseinsvorsorge, also der Gemeinnützigkeit verpflichtet werden - kein Platz mehr für die Börse. Drittens und nicht zu vergessen: Die Länder müssten endlich ihren Investitionsverpflichtungen nachkommen.

Ohne diese drei Maßnahmen wird der Kahlschlag unter den Krankenhäusern weitergehen. Nur das halbherzige Zurückdrängen der Fallpauschalen alleine ist noch keine Rettung. Und schon gar keine Revolution.

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