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Der neue Krankenhausatlas

Dr. Hontschik

Dr. Hontschik

Nach dem Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz und dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz kann man mit dem Krankenhaustransparenzgesetz nun endlich einen Blick hinter die Kulissen der Krankenhäuser werfen. Dr. Hontschik hat schon hinter die Kulissen geschaut und ist ratlos zurückgeblieben.

Die Einen sagen so, die Anderen sagen so. Die Einen sagen, der neugeschaffene Bundesklinikatlas sei ein übersichtlicher Wegweiser und sorge endlich für Transparenz im Krankheitsfall, die Anderen sagen, so etwas hätte es doch schon längst gegeben, nämlich mit der sogenannten Weißen Liste der Bertelsmann Stiftung oder dem Deutschen Krankenhausverzeichnis der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder bei der AOK.

Dagegen sagen die Einen aber, dass der neue Krankenhausatlas viel mehr Informationen enthalte, so dass man Kliniken jetzt direkt vergleichen könne. Dem halten die Anderen aber entgegen, ein Krankenhaus sei doch schließlich kein Hotel, und wenn man Krankenhäuser mit einer Art Sternesystem bewerten würde, ginge das völlig an der Sache vorbei. In einem kleineren Krankenhaus mit spezialisierter ärztlicher Kompetenz könne man mitunter viel besser aufgehoben sein als in einem zentralen Großkrankenhaus. Wie soll man das in einem bundesweiten Atlas abbilden?

Ja, sagen die Einen dagegen, das ginge schon, wenn die Krankenhäuser ihre Behandlungen, die Zahl ihrer Eingriffe und die Häufigkeit und Schwere ihrer Komplikationen in den Atlas eingeben würden. Das wiederum bringt die Krankenhäuser auf die Palme, die schon jetzt von den Anforderungen der Bürokratie erdrückt werden, und jetzt kommen noch derart differenzierte statistische Angaben dazu, die ja jemand erheben, sortieren und eingeben müsse, das sei bei dem herrschenden Mangel an qualifiziertem Personal doch weltfremder Irrsinn.

Außerdem gibt die Deutsche Krankenhausgesellschaft zu bedenken, dass in ihrem Verzeichnis Fallzahlen, Personalausstattung, Qualitätsdaten und Komplikationsraten nachgelesen werden können, und dass dieses Verzeichnis mit mehr als 500.000 Aufrufen im Monat schon seit mehr als zwanzig Jahren gut angenommen würde.

Wenn also die Einen so sagen und die Anderen so, hilft es oft, nochmal innezuhalten und sich darauf zu besinnen, worum es eigentlich geht: Niemand geht gerne ins Krankenhaus. Jeder bevorstehende Krankenhausaufenthalt macht Angst. Jeder möchte von bester und neuester Medizin profitieren und so rasch wie möglich wieder heil nach Hause kommen.

Und nun gibt es genau zwei Möglichkeiten: Entweder handelt es sich um einen Notfall und man findet sich ungeplant und plötzlich in einem Krankenwagen wieder, nach einem Verkehrsunfall, mit Herzschmerzen, mit Halbseitenlähmungen, mit Atemnot, mit Gesichtsfeldausfällen oder mit ähnlichen Katastrophen. Da gibt es keine Chance, noch mal eben rasch einen Krankenhausatlas zu Rate zu ziehen – das wäre ja absurd. Oder es steht ein planbarer Wahleingriff bevor, vielleicht eher harmlos wegen Gallensteinen, vielleicht aber auch lebensbedrohlich wie bei bösartigen Tumorerkrankungen.

Jetzt könnte der Atlas zum Zuge kommen. Leider kann man als Patient oder Patientin aber überhaupt nicht erkennen, was die Zahlen bedeuten. Wenn nämlich die eine Klinik zehn Prozent mehr Komplikationen auflistet als die Nachbarklinik, weiß man ja noch lange nicht, warum das so ist. Vielleicht hat die Klinik mit den schlechten Zahlen einen so guten Ruf, das schwerere Fälle dorthin kommen, mithin also mehr schwerere Eingriffe, naturgemäß mehr Komplikationen.

Was bleibt einem also übrig, wenn die Einen so sagen und die Anderen so? Man kann sich umhören, in der Verwandtschaft oder unter Freunden. Aber es bietet sich in erster Linie an, was man jeden Tag in der Fernsehwerbung mehrfach zu hören bekommt: Fragen Sie Ihre Ärztin oder Ihren Arzt – die Apotheke würde ich in diesem Fall weglassen. Wer also genug Zeit hat, sich vor einem Krankenhausaufenthalt zu erkundigen, der erkundige sich, der hole vielleicht auch eine zweite Meinung ein. Ein Atlas wird dabei nicht viel helfen, denn gute Medizin erkennt man am allerwenigsten an Zahlenkolonnen. Und eine der wichtigsten Fragen beantwortet der Krankenhausatlas sowieso nicht: Wie gut ist dort das Essen?

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